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Psychotherapie geht alle an – Teil 5: Unterschiedliche Psychotherapieformen

Der fünfte Teil der Artikel-Reihe skizziert zwei psychoanalytisch begründete Verfahren, die Verhaltenstherapie und die systemische Therapie.

©Kerstin Nussbächer / SRH Wilhelm Löhe Hochschule

Psychotherapien können durch psychotherapeutische Verfahren unterschieden werden. Ein psychotherapeutisches Verfahren ist das theoretische Konzept und die Behandlungsmethodik und -technik eines/einer Psychotherapeuten/in. Alle psychotherapeutischen Verfahren haben sich in den letzten Jahren, zum Teil Jahrzehnten oder Jahrhunderten, stark verändert. So ist beispielsweise bei aktuell durchgeführten Psychotherapien nicht immer die ursprüngliche Form der psychoanalytisch begründeten Verfahren, dem verhaltenstherapeutischen oder systemischen Verfahren zu erkennen. Die Gründe liegen hierbei in neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Forschung, die – wie in anderen Bereichen – auch zur Weiterentwicklung von Psychotherapien führt.

Doch wie lassen sich Psychotherapien nach ihren jeweiligen Verfahren grob unterscheiden? Im Folgenden werden neben den zwei psychoanalytisch begründeten Verfahren auch die Verhaltenstherapie und die systemische Therapie skizziert.

Psychoanalytisch begründete Verfahren

Sowohl die analytische Psychotherapie als auch die tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie sind psychoanalytisch begründete Verfahren und weisen daher Gemeinsamkeiten auf, z. B. in der Annahme der unbewussten Psychodynamik. Sie unterscheiden sich jedoch auch in verschiedenen Punkten, z. B. neben den Behandlungszielen, im Therapiesetting und der Therapiedauer.

  • Analytische Psychotherapie:
    In der Therapie wird sich insbesondere mit der unbewussten konflikthaften Verarbeitung von Erfahrungen im Verlaufe des bisherigen Lebens, die zur Symptomausbildung und Aufrechterhaltung der Störung führt, auseinandergesetzt. Daneben ist auch die persönliche Disposition ein wichtiger Bereich. Hier geht es im Sinne der sogenannten „Struktur“ um die Kompetenzen, wie ein Mensch mit Konflikten mit sich selber oder anderen Menschen umgehen kann.
  • Tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie:
    Hierbei werden insbesondere aktuelle Konflikte oder frühere Lebensphasen bearbeitet.

Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie sieht die Ursache von psychischen Störungen in der bewussten und unbewussten Lerngeschichte eines Menschen. Durch aktive und transparente Methoden und Techniken soll ein Mensch in der Therapie zu Veränderungen im Denken, Fühlen, Handeln oder Körperreaktionen angeleitet werden. Der Begriff Verhalten ist ein historischer und umschließt heute sowohl das Erleben wie auch Verhalten.

Systemische Therapie

Die systemische Therapie befasst sich vor allem mit den psychischen Beschwerden im Zusammenhang mit sozialen Beziehungen. In der Therapie wird vor allem ressourcenorientiert daran gearbeitet, wie ein Mensch mit eigenen Kompetenzen oder denen des Umfeldes gesundheitsfördernde Lösungen findet. Daher werden in die Therapie auch direkt Bezugspersonen mit einbezogen.

Einteilung über Abrechnung

Während die systemische Therapie in Deutschland aktuell nur die Abrechnungsgenehmigung für Erwachsene hat, können sowohl die psychoanalytisch begründeten Verfahren als auch die Verhaltenstherapie mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen über die Krankenkassen abgerechnet werden.

In anderen Ländern gibt es zum Teil deutlich mehr psychotherapeutische Verfahren. In Deutschland unterliegt die Anerkennung von psychotherapeutischen Verfahren als wissenschaftliches Verfahren strengen Regularien. Ausschließlich wissenschaftlich anerkannte Psychotherapie-Verfahren, zu denen die Forschung Wirkungsnachweise erzielt hat, können Verfahren werden, die in die Psychotherapie-Richtlinie aufgenommen werden, was u. a. dazu führt, dass die Behandlung mit diesen Verfahren über die Krankenkasse finanziert werden.

Gemeinsamkeiten, Methoden und Techniken

Gemein haben alle Psychotherapieverfahren, dass über persönliche Gespräche und mit spezifischen Methoden und Techniken behandelt wird. Zu den Methoden und Techniken gehören je nach Verfahren z. B.

  • die Mitteilung aller Gedanken, die einer Person spontan einfallen,
  • Deutungsangebote durch Therapeutinnen und Therapeuten,
  • konkrete Übungen wie Rollenübungen,
  • Konfrontation mit angstauslösenden Gegenständen,
  • Entspannungsverfahren,
  • spezielle Gesprächstechniken,
  • Einbezug der Familie oder anderer Bezugspersonen,
  • bei Kindern auch spielerisches Handeln.

Videosprechstunde und eingebundene Technik

Aufgrund der telemedizinischen Änderungen im „Bundesmantelvertrag – Ärzte“, dürfen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten auch online Sprechstunde in Form von Videosprechstunde anbieten. Dies erfolgt über spezielle zertifizierte Software, die den Datenschutz einhalten. Zu einer Videosprechstunde wird für Patientinnen und Patienten meistens keine zusätzliche Software benötigt – nur ein internetfähiges Gerät mit einem integrierten Mikrofon und einer Kamera, z. B. Laptop, PC, Tablet oder Smartphone. Vor der Videosprechstunde bekommt die Patientin bzw. der Patient zum vereinbarten Termin einen Internetlink zugesendet. Über diesen können sich Therapeut und Patient virtuell treffen und über Kamera und Mikrofon hören und sehen. Wichtig ist, dass alle Gesprächspartner an ruhigen und ungestörten Orten sind, damit niemand zuhören kann und eine „sichere“ Atmosphäre geschaffen wird.

Manche Therapeutinnen bzw. Therapeuten setzen zudem auf weitere technologische Innovationen durch den Einsatz von Gesundheitsapplikationen, speziellen Therapiespielen am PC oder Biofeedback, bei dem Ent- und Anspannungstraining über die Rückmeldung körperlicher Prozesse am Computer durchgeführt werden kann.

Hintergrund

Um Interessierten psychotherapeutische Aspekte näher zu bringen, stellt Prof. Dr. Philipp Stang (SRH Wilhelm Löhe Hochschule Fürth) in einer Artikelreihe mit dem Titel „Psychotherapie geht alle an“ verschiedene Schwerpunkte dar. Bisher sind folgende Artikel erschienen:

Teil 4: Ambulante, teilstationäre und stationäre Behandlung

Teil 3: Wohin geht man?

Teil 2: Berufsfelder

Teil 1: Psychotherapie und deren Zugang

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