Psychotherapie geht alle an – Teil 6: Psychotherapeutische Diagnostik
Bevor eine psychotherapeutische Behandlung begonnen wird, findet eine Diagnostik statt. Dies ist ein Prozess, bei dem es um Informationserhebung und -sammlung geht. Am Ende soll aus den gesamten Informationen die Diagnose abgeleitet werden, d. h. festgestellt werden, ob es sich bei den psychischen Beschwerden um eine psychische Störung handelt und wenn ja, um welche und wie diese behandelt wird. Sollte sich herausstellen, dass es sich um keine psychische Störung handelt, wird besprochen, welche alternative Unterstützung oder Behandlung eine Person erhalten kann und wo genau.
Voraussetzung für eine Psychotherapie
Es geht also bei der Diagnostik darum, einen Menschen und dessen Beschwerden genau zu untersuchen und zu benennen sowie abzuklären, ob diese Beschwerden einen „Krankheitswert“ haben und die Voraussetzungen für eine Psychotherapie erfüllt werden. Denn für den Beginn einer Psychotherapie muss der Psychotherapeut/die Psychotherapeutin feststellen, ob die Voraussetzungen einer ausreichenden Motivation, Motivierbarkeit und Umstellungsfähigkeit (Veränderungsbereitschaft) vorliegen. Sind diese Voraussetzungen feststellbar, darf der Psychotherapeut /die Psychotherapeutin die Therapie beginnen und die Abrechnung über die Krankenkasse darf erfolgen, da sich eine gewisse positive Prognose für die Behandlung ergibt. Zudem darf eine Psychotherapie nicht ausschließlich dem Zweck der beruflichen oder sozialen Anpassung, der beruflichen oder schulischen Förderung oder der Erziehungs-, Ehe-, Lebens- und Sexualberatung sowie der Paar- und Familienberatung dienen. Sie muss die Behandlung einer psychischen Störung fokussieren. Sollten die Voraussetzungen nicht erfüllt sein, kann der Therapeut/die Therapeutin entweder eine Probetherapie beginnen, um die Voraussetzungen in diesem Rahmen zu erzielen, oder es wird nach alternativen Unterstützungsmaßnahmen jenseits der Psychotherapie gesucht.
Welche Unterlagen sind wichtig?
Für eine ausführliche psychologische und psychotherapeutische Diagnostik werden je nach psychotherapeutischen Verfahren zum Teil unterschiedliche Aspekte mit einbezogen. Häufig finden Gespräche statt, bei denen der Patient/die Patientin spontan von den Problemen schildert. Zudem werden in vielen Fällen Unterlagen und Vorbefunde gesichtet, wie Untersuchungshefte, Schulzeugnisse, Arztbriefe, Entlassungsbriefe, Gerichtsurteile, etc. Zusätzlich wird die Anamnese erhoben – also die Biografie mit der Krankheitsgeschichte. Oft kommt es je nach Alter des Patienten/der Patientin zu psychologischen Untersuchungen durch die Anwendung von Tests in Form von Fragebögen, z. B. Persönlichkeitstests oder Interessenstests, Entwicklungstests, Leistungstests, z. B. Intelligenz- oder Konzentrationstests, Kreativitätstests, klinischen Interview oder spezifischen Analysen.
Körperlichen Abklärung
Zur körperlichen Abklärung wird der Patient/die Patientin z. B. zum Haus- oder Kinderarzt überwiesen und ein sogenannter Konsiliarbericht angefordert. Hin und wieder kommt es vor, dass eine Vorstellung bei Fachärzten/Fachärztinnen vorgenommen wird oder Zusatzuntersuchungen bei Spezialisten durchgeführt werden, z. B. Labor, Hör- oder Sehtest, Motodiagnostik, EEG, MRT, etc.
Sammlung aller Daten und Unterlagen
Am Ende werden schließlich alle Befunde zusammengetragen und in der Gesamtschau findet eine Beurteilung statt und eine Diagnose kann gegebenenfalls benannt werden. Danach schließt sich ein Befundgespräch an, bei dem einem Menschen alle Ergebnisse, die Diagnose, die Behandlungsempfehlungen sowie Behandlungsalternativen mitgeteilt werden. Auch erhält ein Patient/eine Patientin hierzu schriftliche Informationen.
Alternative Unterstützungsmöglichkeiten
Abgesehen von einer Psychotherapie kommen häufig viele weitere Unterstützungsmöglichkeiten in Betracht, z. B.
- Schulpsychologischer Dienst
- Selbsthilfegruppen
- Sozialpsychiatrischer Dienst
- Krisendienst Mittelfranken
- Frauennotruf in Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim
- Telefonische (Krisen-)Dienste, wie z. B. „Nummer gegen Kummer“ – Elterntelefon oder das Kinder- und Jugendtelefon
- Erziehungs- und Familienberatungsstellen, wie z. B. die Erziehungs- und Lebensberatungsstelle der Diakonie
- Suchtberatungsstellen, wie z. B. die Psychosoziale Beratungsstelle – Suchtberatung der Diakonie
- Frauen- und Männerhäuser (Schutzwohnungen werden über den Frauennotruf vermittelt)
- Kinderschutzzentren
- Jugendamt und Jugendhilfe, wie z. B. KoKi – Netzwerk frühe Kindheit
- Gesundheitsamt, wie z. B. Psychosozialer Beratungsdienst & Prävention
- (Fach-)Ambulanzen, wie z. B. Psychiatrische Tagesklinik mit Institutsambulanz in Neustadt a.d.Aisch
- Kliniken für (Kinder- und Jugend-)Psychiatrie, wie z. B. die Psychiatrische Institutsambulanz für Kinder und Jugendliche in Neustadt a.d.Aisch
- Kliniken für Psychosomatik, wie z. B. die Heiligenfeld Klinik Uffenheim
- Krankenhäuser
- Hausärzte und Fachärzte
- Kriseninterventionszentren
- Psychosoziale Beratungsstellen
- Psychiatrische häusliche Krankenpflege
- Ergotherapie
- Logopädie
- Physiotherapie
- Soziotherapie
- Medizinische Rehabilitation
- Schuldnerberatung, wie z. B. bei der Diakonie Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim oder als Online-Angebot der Caritas
- Schulamt und Schulberatungsstelle, wie z. B. die Schulpsychologische Beratung im Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim
Um Interessierten psychotherapeutische Aspekte näher zu bringen, stellt Prof. Dr. Philipp Stang (SRH Wilhelm Löhe Hochschule Fürth) in einer Artikelreihe mit dem Titel „Psychotherapie geht alle an“ verschiedene Schwerpunkte dar. Bisher sind folgende Artikel erschienen:
Teil 5: Unterschiedliche Psychotherapieformen
Teil 4: Ambulante, teilstationäre und stationäre Behandlung
Teil 3: Wohin geht man?
Teil 2: Berufsfelder
Teil 1: Psychotherapie und deren Zugang